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Subject: Nach dem Krim-Anschluss | Russland-Blog
Date: Sun, 30 Mar 2014 18:59:45 +0200
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=EF=BB=BF
Der Anschluss der Krim an Russland =C3=A4ndert das Spiel. Es geht =
nicht mehr um=20
einen politischen Handel, also darum, wer mehr oder weniger bekommt. Es =
geht=20
jetzt darum, wie die k=C3=BCnftigen Spielregeln aussehen, welche =
Ausma=C3=9Fe und welches=20
Aussehen das Spielfeld hat und von welcher Anfangsstellung die =
Mitspieler=20
(weiter) spielen m=C3=BCssen. Ob es lange geplant war und Putin nun =
einfach nur eine=20
=E2=80=9Egute Gelegenheit=E2=80=9C ergriffen hat oder ob der Schritt =
nach Janukowitschs=20
Niederlage und Flucht aus Schw=C3=A4che, ja gar aus Panik, das ganze =
Spiel zu=20
verlieren, geschah, macht keinen Unterschied. Es geht inzwischen um =
nicht mehr=20
und nicht weniger als eine Revision der expliziten und impliziten =
Vereinbarungen=20
von 1991, wie diese Welt funktioniert (zu funktionieren hat). Im =
R=C3=BCckblick f=C3=BCgen=20
sich die Dinge zusammen.
Doch zuvor ist ein wenig Motivationsforschung n=C3=B6tig. Das ist =
immer=20
spekulativ, im Fall des Kreml sogar hochspekulativ, weil wir es mit =
einer=20
klassischen Black Box zu tun haben. Wir wissen ungef=C3=A4hr, was drin =
ist, aber kaum=20
etwas davon, was drin passiert und sehen nur das, was rauskommt. Niemand =
au=C3=9Ferhalb kann folglich mit Sicherheit sagen, was der Entscheidung, =
die Krim zu=20
annektieren, voraus gegangen ist. Ist dies Teil einer langfristigen =
Strategie=20
(was die meisten Beobachter eher verneinen)? Oder =E2=80=9Enur=E2=80=9C =
eine von vielen=20
Optionen, die zuvor erwogen und bis zu einem gewissen Grad auch=20
geplant/durchgespielt wurden, um dann, aus der konkreten Situation =
heraus (hier:=20
Janukowitschs Flucht und der Sieg der Opposition in Kiew), umgesetzt zu =
werden?=20
Geschah das aus einem Gef=C3=BChl der St=C3=A4rke heraus (das =
spr=C3=A4che eher f=C3=BCr die=20
Strategiethese)? Oder aus Schw=C3=A4che (dann k=C3=B6nnte die Analyse =
gelautet haben, das=20
sei nun die =E2=80=9Eletzte Chance=E2=80=9C)? Oder hat sich, durch das =
revolution=C3=A4r=20
unumg=C3=A4ngliche Machtvakuum in der Ukraine, einfach nur, siehe oben, =
eine gute=20
Gelegenheit ergeben, die Krim =E2=80=9Ezur=C3=BCck=E2=80=9C zu bekommen, =
die dann ergriffen=20
wurde?
Ausgehend von diesen f=C3=BCr uns Au=C3=9Fenstehende vorerst kaum zu =
beantwortenden=20
Fragen sehe ich drei m=C3=B6gliche Szenarien (die sich nicht unbedingt =
ausschlie=C3=9Fen,=20
sondern, je nach Entwicklung, erg=C3=A4nzen k=C3=B6nnen oder gar =
aufeinander=20
aufbauen).
Die Krim ist das Ziel. Das spr=C3=A4che daf=C3=BCr, dass die =
russische F=C3=BChrung nun=20
zu ernsthaften Gespr=C3=A4chen bereit w=C3=A4re. Sie h=C3=A4tte dann =
ein Interesse, den=20
Konflikt nicht weiter eskalieren zu lassen. Alles weitere Gerassel =
diente dann=20
vor allem dazu, den neuen Status Quo dauerhaft zu sichern, =
w=C3=A4hrend die=20
Ostukraine und die Ukraine insgesamt als Staat (zumindest vorerst) =
sicher=20
w=C3=A4ren.
Es geht um die Revision von 1991, also darum, Russland wieder zur=20
Gro=C3=9Fmacht, vielleicht auch zum Imperium zu machen. Auch =
Revanchegel=C3=BCste=20
mischten sich hier ein. Dann w=C3=A4re die Krim nur der Anfang. In =
diesem Fall=20
w=C3=A4ren Gespr=C3=A4che, Verhandlungen ohne glaubhafte Sanktionen =
oder=20
Sanktionsandrohungen zumindest naiv, wenn nicht gef=C3=A4hrlich.
Es geht gar nicht oder zumindest nicht in erster Linie um =
Geopolitik,=20
sondern um den Machterhalt im Inneren. Dann w=C3=A4re die Annexion der =
Krim ein=20
Instrument das Machtsystem zu =C3=A4ndern, in dem Putin, zumindest =
bisher, weniger=20
Alleinherrscher als oberster Schiedsrichter ist. Eine =
=E2=80=9Epr=C3=A4ventive Revolution=E2=80=9C=20
nennt Alexander Morosow auf Colta.ru dieses =
Szenarium. Man=20
k=C3=B6nnte es, mit Blick auf die Re-Ideologisierung der russischen Politik durch =
Putin in den=20
vergangenen zwei Jahren aber auch, in durchaus bewusster Anlehnung an =
Mao,=20
eine =E2=80=9EKulturrevolution=E2=80=9C nennen. =C3=9Cber die =
Mobilisierung im Inneren und nach=20
au=C3=9Fen gewinnt Putin so Zugriff auf fast alle, die sich, innerhalb =
wie=20
au=C3=9Ferhalb des Machtsystems, noch eine gewisse Autonomie haben =
bewahren=20
k=C3=B6nnen.
Ich wiederhole noch einmal: Niemand kann momentan wissen, worauf es=20
hinausl=C3=A4uft (wahrscheinlich wissen das die Akteure selbst noch =
nicht). Aber=20
selbst, wenn Szenarium drei, die Revolution von innen aus dem =
Machtzentrum=20
heraus, nicht der Ausgangspunkt war, ist eine Evolution von eins =
=C3=BCber zwei zu=20
drei leicht vorstellbar. Auch passen die Szenarien zwei und drei sehr =
gut=20
zusammen, ja scheinen geradezu dazu gemacht, sich gegenseitig=20
hochzuschaukeln.
Daf=C3=BCr spricht auch die unvergleichliche Propagandawelle in den =
russischen=20
staatskontrollierten Medien (und der wachsende Druck auf alle anderen =
Medien).=20
Zudem ver=C3=A4ndern sich auch die (Haupt-)Akteure. Sie setzen sich =
selbst und=20
gegenseitig unter Druck. Es gibt schon seit einiger Zeit eine Art=20
=C3=9Cberbietungswettbewerb in antiwestlichen Aussagen und Handlungen =
(was dann als=20
besonders =E2=80=9Epatriotisch=E2=80=9C interpretiert wird). Selbst =
Putin ist von diesem Druck=20
nicht frei.
Die =C3=BCberbordende Propaganda bringt es (wohl eher unfreiwillig) =
auf den Punkt.=20
Dmitrij Kisseljow, inzwischen der unumstrittene Star unter den =
Propagandisten,=20
r=C3=BChmte sich und sein Land j=C3=BCngst zur Prime Time, es sei das =
einzige, das die USA=20
mit seinen Atomwaffen in =E2=80=9Eradioaktive Asche=E2=80=9C verwandeln =
k=C3=B6nne. Das gehe durch=20
eine neue Programmierung der Atomraketen selbst dann, wenn die USA zuvor =
alle=20
Kommandostellen der russischen Atomstreitkr=C3=A4fte ausgeschaltet =
h=C3=A4tten. Deshalb=20
rufe Obama seit Kurzem Putin viel =C3=B6fter an, spottete Kisseljow =
stolz. Und genau=20
darum geht es: (Wieder) Beachtet werden (weshalb die Bemerkung Obamas, =
Russland=20
sei eine =E2=80=9CRegionalmacht=E2=80=9D tief sitzen d=C3=BCrfte). Es =
geht bei diesem gesamten=20
Revisionsvorhaben auch, vielleicht sogar in erster Linie, um die Heilung =
einer=20
tiefen narzisstischen Kr=C3=A4nkung. Wie alle Narzissten nehmen auch die =
russischen=20
daf=C3=BCr gern die Zerst=C3=B6rung der Welt(Ordnung) in Kauf. Wenn sie =
schon nicht mit=20
der Kr=C3=A4nkung leben k=C3=B6nnen, sollen auch alle anderen nicht mehr =
(so) leben=20
d=C3=BCrfen.
Der Anschluss der Krim wird so zudem zu einem Abbrechen der =
Br=C3=BCcken. Es soll=20
kein Zur=C3=BCck mehr geben. =E2=80=9ESieg oder Tod=E2=80=9C schallt es =
aus Kisseljows, Limonows oder=20
Dugins M=C3=BCndern gen Westen, der daf=C3=BCr verspottet wird, sich =
schon diese Frage=20
nicht mehr leisten zu wollen (oder k=C3=B6nnen).
Es ist =C3=BCbrigens eine der interessanteren Seiten dieser immer =
h=C3=B6her=20
schwappenden Propaganda-Welle, dass immer dreister einfach gelogen wird, =
und=20
dass das eigentlich immer durchgeht. Angefangen hat es mit der L=C3=BCge =
vom=20
=E2=80=9Efaschistischen Putsch=E2=80=9C in Kiew, den der Westen =
organisiert habe. Dann setzte es=20
sich mit der angeblichen Gefahr f=C3=BCr Leib und Leben von ethnischen =
Russen in der=20
Ostukraine und vor allem auf der Krim fort. Zwischendurch wurden=20
Gruselgeschichten von Berkut-Leuten in Lemberg in der Westukraine =
erz=C3=A4hlt. Die=20
wurden, das stimmt, mit Waffengewalt auf die Knie gezwungen. Zwei =
Berkut-M=C3=A4nner,=20
so behauptete ein Fernsehmoderator im 1. Kanal zu manipulierten Bildern =
und=20
unter dem Schaudern des Studiopublikums, h=C3=A4tten sich =
geweigert und seien=20
auf der Stelle hingerichtet worden. Mit der Ank=C3=BCndigung der =
n=C3=A4chsten Werbepause=20
bat der Moderator um eine Schweigeminute =E2=80=9Ef=C3=BCr die =
Helden=E2=80=9C. Oder, auf einer=20
abstrakteren, politischeren Ebene, geistert seit Wochen die Behauptung =
durch die=20
Fernsehkan=C3=A4le, Ziel von NATO und EU sei der Zugang zum Schwarzen =
Meer, ohne dass=20
jemand die Frage stellte, wie das denn sein k=C3=B6nne, wenn mit =
Bulgarien und=20
Rum=C3=A4nien bereits zwei Schwarzes-Meer-Anrainer EU- und =
NATO-Mitglieder sind und=20
die T=C3=BCrkei seit vielen Jahrzehnten Mitglied der NATO.
Max Trudoljubow, Meinungsredakteur der Moskauer =
Tageszeitung=20
Wedomosti stellt die Frage nach =E2=80=9ESieg oder Tod=E2=80=9C ein =
wenig philosophischer.=20
Er sieht die russische F=C3=BChrung und in erster Linie nat=C3=BCrlich =
Putin vor die=20
Entscheidung gestellt, zwischen Utopie und Geschichte zu w=C3=A4hlen. =
Keine neue Wahl=20
in der russischen Geschichte. Die Geschichte zu w=C3=A4hlen hie=C3=9Fe, =
sich den Regeln zu=20
beugen, den aus der Geschichte erwachsenen ebenso wie den selbst durch =
Vertr=C3=A4ge=20
und Vereinbarungen eingegangenen. Die Utopie zu w=C3=A4hlen dagegen ist =
eine Art=20
Befreiung (von den Fesseln der rationalen Moderne), hei=C3=9Ft, sich =
selbst einen=20
ganz neuen Weg legen zu k=C3=B6nnen.
Allerdings legt man solche =E2=80=9Eneuen Wege=E2=80=9C nur durch =
=E2=80=9Eau=C3=9Ferordentliche=20
Ma=C3=9Fnahmen=E2=80=9C, ein Begriff, der in Russland aus der Sowjetzeit =
nur allzu bekannt=20
ist. Noch immer nennen sich die Geheimdienstler (wie Putin) =
=E2=80=9ETschekisten=E2=80=9C, ein=20
Wort, dass sich von der Abk=C3=BCrzung =E2=80=9EWeTscheKa=E2=80=9C =
ableitet, die f=C3=BCr die=20
=E2=80=9EAllrussische Au=C3=9Ferordentliche Kommission=E2=80=9C (der =
Urzelle der=20
sowjetisch-russischen Geheimdienste) steht. Die Kommission, Ende =
1917 von=20
Felix Dserschinskij gegr=C3=BCndet, stand ganz am Anfang des =
sowjetischen Terrors,=20
der mit ihr begann und nicht, wie oft angenommen, sp=C3=A4ter mit =
Stalin. Im=20
Gegensatz zu seinen Nachbarn, so das Urteil Trudoljubows, =E2=80=9Ehat =
sich Russland bis=20
heute nicht aus dem sowjetischen Raum und der sowjetischen Zeit =
l=C3=B6sen=20
k=C3=B6nnen=E2=80=9C.
Die Chance, sich vom Sowjetischen Erbe zu l=C3=B6sen, hat es =
selbstverst=C3=A4ndlich=20
auch f=C3=BCr Russland gegeben, aber sie wurde nicht genutzt. Der Westen =
(und viele=20
Menschen in Russland) dachte nach der demokratischen Revolution von =
1991, die=20
Sache sei gegessen. Alles Weitere w=C3=BCrde zwar nicht einfach werden, =
sei aber mehr=20
eine Frage der Technik. Ein Zur=C3=BCck sei nicht mehr m=C3=B6glich. =
Dieser Nachhall von=20
Francis Fukuyamas =E2=80=9EEnde der Geschichte=E2=80=9C hat sich als =
zumindest naiv=20
erwiesen.
Putin ist es, im R=C3=BCckblick, in Russland (im Gegensatz zu fast =
allen anderen=20
L=C3=A4ndern drum herum) erstaunlich leicht gefallen, die Interpretation =
der Wende=20
von 1991 als einen =E2=80=9ESieg der Freiheit=E2=80=9C durch seine =
Interpretation einer=20
=E2=80=9EKatastrophe=E2=80=9C, eines =E2=80=9Everbrecherischen =
Putsches=E2=80=9C zu ersetzen (und dar=C3=BCber gleich=20
der Ukraine das Recht auf Existenz als unabh=C3=A4ngiger Staat =
abzusprechen). Mit der=20
Re-Ideologisierung ist er weit bis in die Schichten der russischen =
Gesellschaft=20
vorgedrungen, die zuvor als =E2=80=9Eneue Mittelschicht=E2=80=9C Grund =
zur Hoffnung einer=20
Zivilisierung Russlands waren.
Die Frage bleibt, ob die jetzige Entwicklung vorhersehbar war. Die =
Anzeichen=20
waren da, wurden auch von vielen gesehen, aber die allermeisten Akteure =
und=20
Beobachter (auch ich) gingen, um in Trudoljubows Diktion zu bleiben, =
davon aus,=20
dass (auch) Putin die Geschichte gew=C3=A4hlt habe. Daf=C3=BCr sprachen =
die beiden Pfeiler=20
seiner Herrschaft, seiner Legitimit=C3=A4t: die Wiederherstellung der=20
Funktionsf=C3=A4higkeit des russischen Staates durch eine gute =
Wirtschaftspolitik.=20
Unser Fehler war es vielleicht, diese beiden Teile als Ziele aufzufassen =
(und=20
vielleicht waren sie das anfangs auch). Heute aber stellt sich heraus, =
dass die=20
Wirtschaftspolitik (also das sich K=C3=BCmmern um das Wohlergehen der =
Menschen),=20
immer mehr vom Ziel zum blo=C3=9Fen Mittel wurde.
W=C3=A4hrend (fast) alle dachten, Putin wage die Annexion der Krim =
nicht, weil sie=20
Russland (und ihn) =E2=80=9Ezu teuer=E2=80=9C zu stehen kommen werde, =
ist der russischen=20
Pr=C3=A4sident offenbar bereit, diesen (und vielleicht einen noch =
h=C3=B6heren) Preis f=C3=BCr=20
seine Vorstellung von der =E2=80=9EWiederherstellung historischer =
Gerechtigkeit=E2=80=9C=20
zu zahlen. Und wie es aussieht, ist ein gro=C3=9Fer Teil der russischen =
Bev=C3=B6lkerung=20
(trotz Propaganda muss man wohl von einer Mehrheit sprechen) bereit, ihm =
dabei=20
zu folgen. Wie es aussieht.
Denn entgegen der Erwartung gibt es in weiten Teilen der russischen=20
Bev=C3=B6lkerung keine Euphorie wegen des Anschlusses der Krim. Das =
hei=C3=9Ft nicht, dass=20
viele Menschen dagegen w=C3=A4ren. Nein. Die Genugtuung, dass die Krim =
wieder=20
=E2=80=9Eunsere=E2=80=9C ist, ist sehr weit verbreitet, tief bis in =
liberale=20
Gesellschaftsschichten hinein. Daher die hohen Zustimmungsraten bei =
Umfragen.=20
Doch gleichzeitig bleibt bei vielen ein ungutes Gef=C3=BChl, eine Art =
innerer=20
Spannung.
Das dr=C3=BCckt sich dann in (durchaus bangen) Fragen aus, wie der, =
ob =E2=80=9Edie da=20
oben=E2=80=9C das wohl alles gut durchdacht und durchplant h=C3=A4tten. =
Da ist sie wieder,=20
die Frage nach dem Preis. In doppelter Hinsicht. Denn einerseits zeigt =
sich in=20
diesen Bef=C3=BCrchtungen der in der Bev=C3=B6lkerung weit geteilte =
Imperativ =E2=80=9Ealles, nur=20
kein Krieg!=E2=80=9C. Andererseits mag es aber auch sein, dass =
gr=C3=B6=C3=9Fere Teile der=20
russischen Gesellschaft in den vergangene 25 Jahren doch st=C3=A4rker =
verwestlicht=20
(wahlweise: postheroischer geworden, in der Moderne angekommen) sind, =
als es=20
momentan scheint. Daf=C3=BCr spricht auch die angesichts der =
=C3=BCberbordenden Propaganda=20
hohe Zahl von bis zu einem Drittel der Bev=C3=B6lkerung, die den =
Anschluss der Krim=20
f=C3=BCr falsch h=C3=A4lt.
Was tun? Was erwarten? Das gr=C3=B6=C3=9Fte Problem bleibt =
herauszufinden, ob Gespr=C3=A4che=20
momentan =C3=BCberhaupt Sinn machen. Dazu muss man sie f=C3=BChren. Aber =
man muss sie eben=20
in dem Bewusstsein f=C3=BChren, dass sie sinnlos sein k=C3=B6nnten, weil =
es f=C3=BCr die=20
russische Seite (noch) nicht um Deeskalation geht, sondern nur darum, =
den=20
richtigen Zeitpunkt zur weiteren Eskalation zu erwischen. Au=C3=9Ferdem, =
siehe Black=20
Box oben, k=C3=B6nne wir nicht ausschlie=C3=9Fen, dass es auch innerhalb =
der Machtelite=20
erhebliche Differenzen dar=C3=BCber gibt, wie es weiter gehen soll. Das =
gilt=20
besonders, wenn Putin tats=C3=A4chlich im Begriff ist, eine Revolution =
von innen=20
anzuzetteln.
F=C3=BCr die Opposition im Land werden die Zeiten wohl noch schwerer =
werden. Die=20
Passagen in Putins Anschluss-Rede, in denen er von =
=E2=80=9CNational-Verr=C3=A4tern=E2=80=9D sprach=20
und einer neuen =E2=80=9Cf=C3=BCnften Kolonne=E2=80=9D sind Signale in =
die Gesellschaft und an die=20
Sicherheitsdienste. Sollte es wirklich zu einer Art Kulturrevolution =
kommen,=20
wird das Land wohl erneut in einen isolationistischen Kokon =
zur=C3=BCckgezogen=20
werden. Der Weg ist schon beschritten. Es fragt sich nur, wie weit =
er=20
geht.
Russland ist keine Demokratie. Aber auch keine =
Diktatur.=20
Russland fremdelt mit dem Westen. Ist aber auch nicht sein Feind. =
Russland war=20
jahrhundertelang Imperium und muss nun, eher unwillig, Nationalstaat =
werden.=20
Der Weg dorthin ist widerspr=C3=BCchlich. Jens Siegert, Leiter des =
Moskauer B=C3=BCros=20
der Heinrich-B=C3=B6ll-Stiftung, schaut hinter die allt=C3=A4glichen =
Meldungen und=20
kommentiert sie.
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